In den letzten Jahren wird immer öfters über alternative, sogenannte nicht-monogame Beziehungen, gesprochen. Die Gründe, weshalb Menschen in anderen Beziehungsformen als einer monogamen Zweierbeziehung leben möchten, sind vielfältig: Manchen geht es darum sich weiterzuentwickeln, andere entscheiden sich aus ideologischen Gründen dazu. Wieder andere haben Bedürfnisse, die sie in ihrer Beziehung nicht leben können oder sie verlieben sich in jemand anderen, ohne dass sie ihren jetzigen Lieblingsmenschen verlassen wollen.

So vielfältig die Gründe sind, so vielfältig sind auch die Formen von nicht-monogamen Beziehungen. Einige leben eine offene Beziehung und erlauben sich Flirten bis hin zu Sexualität mit anderen Personen. Bei manchen liegt ein einmaliges Treffen drin, bei anderen auch mehrmalige Treffen mit der gleichen Person. Manchmal besteht die Vereinbarung, dass der Aussenkontakt abgebrochen wird, sobald Gefühle ins Spiel kommen. Andere suchen eben gerade dieses Gefühlserleben in polyamoren Beziehungen. Diese können hierarchisch gelebt werden, wobei meist die älteste Beziehung an erster Stelle steht, bei anderen sind alle Beziehungen gleichberechtigt.

Während die grössere Freiheit, seine Beziehung nach den eigenen Bedürfnissen zu gestalten von den einen begrüsst wird, können sich andere durch die neuen Möglichkeiten überfordert fühlen.

Es lohnt sich daher, einen möglichen Übergang zu einer nicht monogamen Beziehung bewusst langsam zu gehen und immer wieder sicherzustellen, dass beide Personen noch an Bord sind, und zwar im Kopf wie auch im Herzen. Häufig hat sich eine Person schon intensiver mit dem Thema auseinandergesetzt und die andere weniger. Diese Person braucht dann oft länger Zeit, um mit der neuen Situation umzugehen.

Es kann sich lohnen, sich dabei mit folgenden Fragen auseinanderzusetzen:

Was ist meine Motivation für die Beziehungsöffnung? Was stelle ich mir vor?

Was wünsche ich mir, was brauche ich? Was ist mir wichtig? Was kann ich mir zumuten? Was brauche ich, damit ich mich in einer Beziehung in Sicherheit fühle?

Habe ich die Fähigkeit, meine Grenzen und Bedürfnisse zu kommunizieren?

In einem nächsten Schritt können gemeinsame Vereinbarungen und Grenzen ausgehandelt werden. Wichtig ist, dass beide Personen dabei lernen, Verantwortung zu übernehmen und für sich und ihre Bedürfnisse wie auch für ihre Grenzen ehrlich einzustehen.

Es kann dabei hilfreich sein, sich darüber auszutauschen, welche sexuellen Aktivitäten erlaubt sind, ob gewisse Personen und Kontexte tabu sind, ob man sich über die Aussenkontakte austauschen will oder darüber Stillschweigen vereinbart, ob es ein Veto-Recht gibt, wer über die Öffnung informiert wird, etc.

Solche Vereinbarungen können erprobt und immer wieder angepasst werden, bis eine funktionierende Absprache gefunden ist.

Der Übergang von einer monogamen zu einer nicht-monogamen Beziehung braucht Zeit und geht oft mit starken Gefühlen und Gefühlsschwankungen einher. Nicht selten passieren dabei Fehler und Verletzungen. Und es ist auch völlig in Ordnung festzustellen, dass eine offene Beziehungsform für einen nicht passend und stimmig ist.

Diese und weitere Fragen können im Rahmen einer Beratung gemeinsam vertiefter bearbeitet werden.

Weitere Informationen zum Thema:

Zum Lesen:

  • Viele hilfreiche Texte und Informationen finden sich auf www.polyamorie.ch
  • Wie öffnet man eine Beziehung? Sechs Tipps für alle Paare, die Monogamie hinter sich lassen wollen in der Süddeutschen Zeitung.
  • Svenja Sörensen (2023). Offen lieben – wie offene Beziehungen wirklich gelingen.
  • Janet W. Hardy, Dossy Easton (2020). Schlampen mit Moral: Erweiterte Neuausgabe Warum es an der Zeit ist, Sex und Liebe neu zu denken – wie Polyamorie, offene Beziehungen und andere Abenteuer gelingen können.
  • Jessica Fern (2023). Polysecure – Bindung, Trauma und konsensuelle Nicht-Monogamie.

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