Wer kennt die Situation nicht? Beim Streiten ergibt ein Wort das andere, wir reden uns mehr und mehr in Rage und werfen uns Dinge an den Kopf, die wir kurz danach oder spätestens am nächsten Tag bereuen. Aber weshalb tun wir das? Was passiert in solchen Situationen mit uns? Oft lassen sich solche Reaktionen ganz natürlich mit unserem autonomen Nervensystem erklären und stellen eigentlich eine hilfreiche Reaktion unseres Körpers dar.  Wenn Gefahr droht – sei es nun der Säbelzahntiger, der uns angreift, das anstehende Vorstellungsgespräch oder eben unser Lieblingsmensch, der uns Vorwürfe macht – wird ein Teil unseres Nervensystems, in diesem Fall der Sympathikus, stärker aktiviert. Dadurch wird Energie mobilisiert, damit wir im Ernstfall fliehen oder kämpfen können: die Atmung wird schneller, der Herzschlag verstärkt sich, die Muskeln spannen sich an, wir schwitzen verstärkt oder werden rot. Das hat auch einen Einfluss auf unsere Gedanken. Oft fangen wir an, uns oder andere stärker zu bewerten, haben einen Tunnelblick oder rasende Gedanken. Und unsere Emotionen werden geprägt von Angst oder Rastlosigkeit. Unser ganzes System bereitet sich damit auf Flucht oder Kampf vor. Nimmt die Bedrohung weiter zu, kann dies dazu führen, dass wir gänzlich herunterfahren und in einen sogenannten Freeze-Zustand kommen, in welchem wir erstarren und gefühlt handlungsunfähig werden.

All dies passiert ganz ohne unser Zutun, autonom und natürlich eben.

Während diese Reaktionen des Nervensystems hilfreich waren, um den Angriff vom Säbelzahntiger zu überleben, halten sie uns nun oft davon ab, im Konfliktfall eine gute Lösung zu finden. In solchen Fällen ist vielmehr der Gegenspieler des Sympathikus, der Parasympathikus, hilfreich. Dieser Teil des Nervensystems ist zuständig für die Erholung, Regeneration und ermöglicht uns, pro-soziale und kreative Lösungen zu finden. Deshalb hier einige Tipps, wie wir den Parasympathikus stärker aktivieren können:

  • Das Wichtigste ist, zu realisieren, dass ich im Kampf- oder Fluchtmodus bin. Das heisst immer wieder innehalten, um meinen Körper, meine Gedanken und Gefühle wahrzunehmen
  • Konfliktpausen machen, wenn ich aktiviert bin (wichtig: wer eine Pause verlangt, ist für die Wiederaufnahme des Gesprächs zuständig)
  • Das hilfreichste Instrument zur Beruhigung ist unser Atem. Dies mit dem Fokus auf das Ausatmen. Folgende Übungen können dabei besonders hilfreich sein:
    • 4 Sekunden einatmen, 6 Sekunden ausatmen, wiederholen bis zur Entspannung
    • Einatmen und mit einem Wu-Ton ausatmen, wiederholen bis zur Entspannung
    • Singen oder summen (und tun wir es gleich gemeinsam lässt sich kaum mehr weiterstreiten wie bisher)
  • Hilft dies alles nicht weiter, in Bewegung gehen. Eine Runde spazieren, joggen oder auch einfach kräftig auf den Boden stampfen

Weitere (Selbst-)Regulationsmöglichkeiten können gemeinsam in der Beratung erarbeitet werden.

Weitere Informationen zum Thema:

Zum Reinlesen:

Weitere Impulse zur Selbstregulation von der Psychotherapeutin Dania Schiftan. Ein Beitrag auf der Medienplattform von Any Working Mom. 

Zum Reinschauen:

Stress – System in Alarmbereitschaft. Ein Beitrag über das Nervensystem vom SRF.

Richtig atmen – der Schlüssel gegen Stress. Ein Beitrag vom SRF.